#WieWirLeben: Wenn der Zeiger auf „Natur“ steht

Hofgeschichten, 12.06.2023, Sabine Ertl

Christa Hintermann ist immer schon lieber heimgefahren, als in die weite Welt hinaus. Heute holt sie diese kurzerhand zu sich auf den Bodnerhof in Arriach. 
Einem Ort, wo Menschen wieder zu sich selbst, Suchende wieder Halt finden und Kinder einfach Kind sein dürfen.

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Kinder mit Gießkannen auf der Wiese | © Urlaub am Bauernhof Kärnten / Daniel Gollner

Es mag metaphysisch anmuten, aber wer den Weg hinauf zum Bodnerhof in Arriach sucht, betritt eine andere Zeitzone. Hier stehen die Zeiger auf „Natur“. Was die Armbanduhr anzeigt, wird nebensächlich, vielmehr rückt das Ursprüngliche in den Vordergrund. Und genau das ist es, was die Gäste suchen, finden und selbst kaum in Worte fassen können. „Eine Familie besucht uns bereits seit vielen Jahren. Jedes Mal, wenn sie abreisen, können sie uns nicht versprechen, ob es ein Wiedersehen geben wird. Und dennoch sind sie noch jedes Jahr wieder angereist“, berichtet Christa Hintermann. Weil sie, wie sie selbst sagen, ein Gefühl spüren, dass sie nirgendwo anders fühlen. Nur hier finden. Nur hier erleben können. Worte, die Christa demütig und dankbar stimmen.

Das Herz am Land

Sie selbst wuchs am Bergbauernhof auf. Schon als Kind war sie von morgens bis abends mit Gästekindern unterwegs auf Abenteuersuche, wie nur Kinderaugen sie entdecken können. Die Schulzeit führte sie nach Wien, doch schon damals war klar: „Ich bin immer lieber heimgefahren, als hinaus.“ Die Museen, die Theater, das Stadtleben, all das war für Christa durchaus beeindruckend, aber letztlich nicht ihre Bestimmung. Die Zeit missen möchte sie dennoch nicht: „Erst im Wechselspiel unterschiedlicher Lebenswelten erkennt man durch einen erweiterten Horizont, wo man hingehört.“

Ihr Platz wurde der Bodnerhof. Mit 21 Jahren heiratete sie ihren Mann Gerhard, vor rund 20 Jahren tat sie es ihren Eltern gleich und begann mit der Zimmervermietung. Aus der ursprünglichen Idee, einen Raum für die Direktvermarktung zu errichten, entstand die erste Ferienwohnung. Drei sind es letztlich geworden, welche von den unterschiedlichsten Nationen bewohnt werden. „Unsere Gäste stammen aus Neuseeland, Abu Dhabi, Amerika, Deutschland, deren Leben so unterschiedlich sind, wie ihre Nationen.“ Neben den Familien und Ehepaaren sind es auch Alleinstehende, die auf der Sinnsuche sind und sich neu orientieren möchten. „In deren Alltag fehlt oft der Gegenpol, der Ausgleich. Hier bei uns gewinnen sie wieder Distanz, spüren Bodenhaftung, können das Wichtige vom Unwichtigen unterscheiden und leben bewusster.“

„Wenn man mit der Natur arbeitet, bekommt man eine Kraft, die man vorher nicht hatte. Da ist Zeit relativ. Diese hängt vielmehr vom Wetter ab, von den Jahreszeiten, von dem Stand der Sonne.“

Für so manch Erwachsenen ein Heilprozess, für die jüngsten Gäste ein Abenteuer, welches jeden Tag aufs Neue beginnt. „Am Hof dürfen uns die Kinder überallhin begleiten. In den Stall zu den Kühen und Schweinen oder hinaus auf die Felder zur Heuernte. Wenn man bedenkt, dass viele glauben, für ein Lebensmittel muss man nur ins Geschäft gehen und das gewünschte kaufen ohne dabei nachzudenken, wieviel Arbeit dahintersteckt, dann erkennt man schnell, wie wertvoll es ist, dass die Kinder all das bei uns vor Ort live sehen und nicht nur aus den Büchern lernen.“ Verstehen lernen, dass Äpfel ohne chemische Behandlungen zwar nicht makellos aussehen, aber dafür wertvolle Inhaltsstoffe mit sich bringen. Und das hier draußen die Natur die Zeit vorgibt, nicht die Armbanduhr. Eine Zeitrechnung, welche Christa schätzen und lieben gelernt hat: „Wenn man mit der Natur arbeitet, bekommt man eine Kraft, die man vorher nicht hatte. Da ist Zeit relativ. Diese hängt vielmehr vom Wetter ab, von den Jahreszeiten, von dem Stand der Sonne.“

„Erst im Wechselspiel unterschiedlicher Lebenswelten erkennt man durch einen erweiterten Horizont, wo man hingehört.“

Sehnsuchtsort für Naturmenschen

Empfindungen, welche die Stammgäste teilen. „Einst sagte ein Gast zu mir: Christa, ich wurde am falschen Ort geboren. Als Kind war er das erste Mal bei uns und tobte sich dermaßen aus, dass zur Abreise kein einziges, sauberes Kleidungsstück mehr zu finden war. Einfach Kind sein dürfen, das ist ein Gefühl, das vielen in den Städten fremd geworden ist. Dieser Junge ist mittlerweile 23 Jahre alt und jedes Jahr am Hof zu Besuch.“ Solche Geschichten prägen und bestätigen, dass Christa am richtigen Weg ist. Denn was man gerne macht, macht man eben gut.

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Sabine Ertl
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