Einmal Almvirus, immer Almvirus

Almgeschichten, 17.04.2021

Marianne Gruber lief schon als kleines Mädchen barfuß über taunasse Almwiesen, trieb emsig die jungen Kälber auf den Berg hinauf, zeigte sich furchtlos und ließ der wachsenden Liebe zu Alm, Natur und Berg stets freien Lauf. Heute teilt sie diese gern: Mit ihrem Mann, ihren Kindern und den Gästen, die den Weg hier herauffinden, auf die Ritzingerhütte.

Jetzt teilen!
Sennerin auf der Viehbergalm mit ihren Kühen, Ritzingerhütte, Steiermark | © Urlaub am Bauernhof Steiermark / Daniel Gollner

Vor 40 Jahren heiratete Marianne Gruber ihren Mann Matthias, war fortan im Sommer auf der Ritzingerhütte zuhause und die restliche Jahreszeit am gemeinsamen Bauernhof im Tal tätig. Das Leben auf der Alm und am Hof kennt sie von Kindesbeinen an, wuchs sie doch selbst in der Nähe des Ritzingerhofs auf und lernte früh dieses Landleben kennen und lieben. „Mit meinen Eltern waren wir immer auf der Alm, trieben das Vieh hinauf, versorgten es die Sommermonate über mit Salz und waren schnell zur Stelle, wenn der Nachbar Bescheid gab, dass eines unserer Tiere ausgebüxt ist.“

Im Rhythmus der Alm

Das Leben auf der Alm ist ein eigenes. Kein Fernseher, keine mediale Hektik. Selbst der Radio bleibt die meiste Zeit stumm. Denn Marianne weiß: „Wenn etwas wirklich wichtig ist, erfahren wir es ohnehin, der Rest bleibt im Tal. Die negativen Meldungen, die jeden Tag in den Nachrichten veröffentlicht werden, die Hektik, der damit verbundene Stress, all das dringt gar nicht zu uns vor.“ Ein Umstand, den niemand ändern will. Internetverbindung? Nein danke. „Wir haben natürlich eine Homepage, sind aber im Sommer ausschließlich am Handy erreichbar.“ Die Gäste, die kommen, wissen und schätzen das. Und die anderen kommen eben nicht. Es ist ein ganz anderes Leben in jenem Rhythmus, den die Alm vorgibt: Wenn um fünf Uhr früh der Rest der Welt noch schläft, macht sich Marianne bereits auf den Weg in den Stall, um ihre Kühe zu melken. Ohne modernen Melkstand, dafür mit der guten alten Melkmaschine.

Steirer Kas und Steirer Krapfen

Aus der gewonnenen Milch werden kulinarische Köstlichkeiten für die Gäste hergestellt. „Aus der Magermilch produzieren wir den Ennstaler Steirer Kas. Aus Rahm wird Butter gemacht. Zudem stehen bei uns die klassischen Steirer Krapfen auf der Speisekarte sowie Kasnockerl, verschiedene Suppen und hausgemachte Säfte.“ Wer ein Schnitzel mit Pommes und Ketchup bestellen möchte, ist fehl am Platz. Aber deswegen kommen die Gäste ohnehin nicht. Sie kommen wegen der Ruhe, der Idylle, dem Frieden, den man nur hier oben findet. „Dass die Alm nicht nur Romantik verspricht, sondern mit harter Arbeit einher geht, wissen viele nicht.“

Doch wenn Zeit ist, abends am Lagerfeuer oder in der Stube, dann setzt sich Marianne gern zu ihren Gästen und erzählt von ihrem Leben. Welche Sorgen man hat, wenn der Winter wieder einmal heftig ausfällt, und die Photovoltaikanlage unter den Schneemassen fast zerstört wird. Wenn Regenschauer und Gewitter das Vieh verschrecken und man in unwegsamem Gelände stundenlang auf der Suche ist, um wieder alle Tiere heil in den Stall zu bringen. All das gehört dazu, all das möchte Marianne niemals missen. Es mag manchmal beschwerlich sein, aber jammern würde sie deswegen nie. „Wir müssen mit dem auskommen, was wir haben. Es gibt kein Überangebot wie im Tal. Das lernen die Gäste ebenso, wenn sie mit dem Mountainbike unterwegs sind oder die Weitwanderwege entdecken. Jeder hat das mit, was er tragen kann und das reicht bekanntlich auch.“ Auf der Ritzingerhütte warten acht kuschelige Betten mit Zirbenpolstern und warmen Decken für die Nacht. Weitwandern, Mountainbiken – all das liegt aktuell im Trend und bringt Gäste: „Wir liegen direkt an der Mountainbiketour ,Dachsteinrunde‘ und der Wanderstrecke ,Vom Gletscher zum Wein‘.“

Gästebuch statt Facebook

Wenn abends alle mit ihrem Abendessen vor der Hütte sitzen und zufrieden den Sonnenuntergang beobachten, weiß Marianne, warum sie ihre Arbeit so gerne macht. „Viele kehren nach Jahren wieder bei uns ein und freuen sich, wenn wir ihnen das Gästebuch von damals zeigen, wo sie sich beim ersten Besuch mit Foto und Text verewigen konnten. Da braucht es kein Internet, um solche Momente festzuhalten.“

Generell hat sich zwischen früher und heute nur die Art des Transports verändert: „Früher nahm unsere Einkaufszettel immer irgendein Radfahrer mit ins Tal, heute geht das praktischerweise telefonisch“, schmunzelt Marianne. Solange man gesund ist, will man weitermachen, ist die Hüttenwirtin entschlossen. Den Almvirus selbst hat sie ihren Kindern längst weitergegeben, Sorgen um eine Nachfolge macht sie sich keine. Denn wie alles hier oben ist es nun mal so: Es kommt, wie es kommt.

„Mit meinen Eltern waren wir immer auf der Alm, trieben das Vieh hinauf, versorgten es die Sommermonate über mit Salz und waren schnell zur Stelle, wenn der Nachbar Bescheid gab, dass eines unserer Tiere ausgebüxt ist.“

Marianne Gruber

Weitere Artikel