Ein Herz für Kräuter

Nachhaltigkeit, 29.10.2020, Julia Kropik

Am Fuße der Leoganger Steinberge liegt ein kleiner Kräutergarten. Bäuerin Anita Widauer trifft man zwar selten im Stall, dafür sind Baldrian, Kapuzinerkresse & Co. und das Wissen um alte Naturheilmittel das Größte für sie. An einem spätsommerlichen Tag folgen wir dem Duft uralter Rezepte und erfahren, welche Kraft in den Kräutern steckt.

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Kräuter und Gewürze werden am Tisch aufgeleget | © Urlaub am Bauernhof Österreich / Bernd Suppan

Die Kraft der Kräuter

„Ich bin eine feine Bäuerin“, sagt Anita Widauer mit einem verschmitzten Lächeln und rührt in einem rotbraunen Topf. In der rustikalen Gartenhütte, in der sie heute ihre Kräuterküche eingerichtet hat, duftet es nach Harz und Olivenöl. „Mit meinen Allergien findet man mich so gut wie nie bei der Arbeit im Stall“, klärt Anita uns jetzt auf, „dafür umso öfter in der Kräuterküche.“ Und die ist überall, wo ihre Liebe zu den Kräutern auf ein paar Herdplatten, Glaspipetten und eine kleine kupferne Destille trifft. An diesem spätsommerlichen Herbsttag werden eben inmitten des Bauerngartens Bauernantibiotikum, Schnupfensalbe und Salbei-Hydrolat gekocht. Denn wenn eine weiß, dass gegen jedes Zipperlein ein Kraut gewachsen ist, dann ist es Anita.

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Bäuerin Anita Widauer erzählt ...

Open-Air Kräuterküche im Bauerngarten

Hier zerreibt und zerpflückt, zerdrückt und zerhackt Anita heilsame Kräuter, setzt Tinkturen an, füllt Salben ab und entlockt allerlei Pflanzen mit warmem Olivenöl oder Wasserdampf ihre wertvollen Inhaltstoffe. Dabei duftet es definitiv besser als drüben im Stall, das müssen wir zugeben. Immerhin liegt Anitas Kräuterküche inmitten eines malerischen Bauernhofs wie aus dem Bilderbuch: Bunt leuchten die Petunien vom traditionellen Holzbalkon, im Streuobstgarten übernehmen schwarz-weiß gefleckte Schafe das Rasenmähen, aus dem Stall lugen neugierig ein paar Milchkühe. Dazwischen noch ein paar tiefenentspannte Urlaubsgäste, die den Ausblick auf die Kulisse genießen.

Die Freunde wachsen am Wegesrand

Jetzt aber folgen wir Anita in den hintersten Winkel des Gemüse- und Beerengartens, der direkt am Fuße der Leoganger Steinberge zu liegen scheint. Hier verbirgt sich das, worum sich in Anitas Leben so ziemlich alles dreht: Ein kleiner aber feiner Kräutergarten. „Erkältungseck“, „Wundheilung“ oder „Stimmungsaufheller“ steht da fein säuberlich auf Schildern, die in der schwarzen Erde zwischen Baldrian und Kapuzinerkresse, Thymian und Johanniskraut stecken. Hier pflanzt Anita allerdings nur die allerwichtigsten Kräuter an. Alles andere finde sie „nur ein paar Schritte entfernt“, wie sie sagt. „Ich bin total verbunden mit den Kräutern, die rund ums Haus wachsen. Zum Beispiel Schafgarbe und Spitzwegerich – zerrieben wirkt er Wunder gegen Insektenstiche“, verrät sie uns. „Ernten darf ich aber nur das, was ich zu hundert Prozent kenne“, setzt sie hinzu – und das wird bei jedem Ausflug mehr. „Beim Wandern komme ich kaum noch vorwärts. Ständig entdecke ich unbekannte Kräuter, die ich unbedingt kennenlernen muss.“ Und wenn sie auf Bekanntes, wie zum Beispiel die krautige Blutwurz trifft, sieht es ähnlich aus: „Es ist, als würde ich einem alten Freund begegnen“, sagt sie strahlend.

Evergreens in der Kräuterküche

Da drängt sich natürlich die Frage nach Anitas persönlichen Evergreens auf – was also sind ihre Lieblingskräuter und welche Kräfte stecken in ihnen? Lange muss sie nicht überlegen: „Den Baldrian mag ich besonders gerne. Wie er so groß und kräftig dasteht – genauso fühlst du dich, wenn du ihn nimmst. Er richtet dich auf und stärkt dich.“ Ob das kräftigende Kraut vielleicht auch eine Rolle bei Anitas Werdegang zur Kräuterkundigen zu spielen hatte? „Früher habe ich nur ungern vor einer Gruppe von Fremden gesprochen“, sagt sie, „heute gebe ich mein Wissen so oft es geht in Workshops und Kursen weiter. Aber hätte ich damals vor vier Jahren, als ich mit meiner Ausbildung an der TEH Akademie begonnen habe, gewusst, was da auf mich zukommt – ich hätte es mir nicht zugetraut.“ So aber haben die Kräuter Anita auf ihrem Weg stets bestärkt und heute weiß sie: „Die Ausbildung war das beste, was mir hätte passieren können. Die Kräuter lassen mich nicht mehr los.“

Keine Hexerei

TEH – das steht für Traditionelle Europäische Heilkunde. In der Akademie wird altes, wissenschaftlich bestätigtes Wissen um die natürlichen Heilkräfte heimischer Kräuter weitergegeben. So weiß Anita mittlerweile, dass Kräuter und Pflanzenprodukte nicht nur stärken (Baldrian) sondern auch erden (Hopfen), die Stimmung heben (Johanniskraut), desinfizierend oder antiviral (Fichten- und Lärchpech) wirken können. Die feinen Mittelchen aus der Natur sind dabei keine Hexerei, sondern bestehen aus wenigen, dafür umso wirkungsvolleren Zutaten. So auch eines von Anitas Lieblingsheilmitteln, das Bauernantibiotikum: Kapuzinerkresse, Kren und etwas Schnaps, mehr braucht es nicht, um Erkältungen, Nebenhöhlen- oder auch Blasenentzündungen vorzubeugen. „Essentiell sind die in den feinen Blättern und Blüten der Kapuzinerkresse enthaltenen Senföle und die Scharfstoffe, die im Kren stecken“, erklärt Anita. Um diese herauszulösen, braucht es etwas ebenso scharfes – hochprozentigen Schnaps nämlich. Hans, Anita's Mann, brennt ihn selbst, die Äpfel kommen direkt aus dem Streuobstgarten.

Ein Abstecher in den Wald

Zum Abschluss wollen wir noch einmal die Fährte des feinen, harzigen Dufts aufnehmen, der uns zu Beginn in der Kräuterküche in der Nase gekitzelt hat. Der Weg führt in ein nahegelegenes Wäldchen – und in die Vergangenheit. Mit Kennerblick prüft Anita die Rinde schlanker, hoher Fichten, zückt schließlich ein kleines Messer und lüftet das Geheimnis: Hier wird Fichtenpech geerntet. „Der Baum heilt Verletzungen und Risse der Rinde mit seinem Harz – genau das machen wir uns zunutze“, erklärt sie. Gemeinsam mit Lärchpech zu Pechsalbe verarbeitet, wirkt das Fichtenpech wundheilend. Was Anita dabei wichtig ist: „Wir nehmen nur so viel von dem Pech, wie uns der Baum geben möchte – auf keinen Fall verletzen wir ihn dabei“, sagt sie und kratzt vorsichtig etwas von der bernsteinfarbenen, duftenden Masse von der Rinde. Zurück in der Kräuterküche muss das Pech möglichst lange in warmem Öl ziehen. Das bedächtige Rühren ist eine entspannende Arbeit, die Anita im Winter oft über Tage hinzieht. „Das Rezept für die Pechsalbe taucht übrigens schon im 18. Jahrhundert in alten Loferer Rezeptbüchern auf“, verrät sie noch und drückt uns zum Abschied ein duftendes Gläschen Pechsalbe in die Hand. Und wir beginnen zu verstehen, warum die Kräuter Anita nicht mehr loslassen.

Auf den krautigen Geschmack gekommen? Die Rezepte für Pechsalbe und Bauernantibiotikum findest du hier im Magazin.

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