Lesachtaler Brot für Japan

Almgeschichten, 04.05.2023, Elisabeth Tschernitz-Berger

Was haben das Lesachtal und Tokio gemeinsam? Hier wie dort steht ein originaler Brotbackofen, wo das wertvolle Brot nach altem Lesachtaler Rezept gebacken wird.

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Mit Mehl bestäubter Brotteig in einer Holzschüssel | © Florentina Klampferer/ Urlaub am Bauernhof Kärnten

Dienstag ist Brotbacktag in Liesing. Da krempelt Maria Lexer die Ärmel hoch und greift beherzt mit beiden Händen in die Mehl-Wasser-Mischkulanz, um sie in einem hölzernen Bottich ordentlich zu einem festen Teig zu kneten. Mindestens eine halbe Stunde lang, oder „bis sich der Teig von den Fingern löst“, erklärt sie. Dann wird die Masse aus Roggen-und Weizenmehl, Wasser und Leinsamen, in der warmen Stube schön in Ruhe gelassen, damit der  Natursauerteig seine aufplusternde Arbeit tun kann. Gewürzt wird nur mit Salz und etwas Kümmel, so besagt es das alt überlieferte Rezept der Familie Lexer. Während der Teig vor sich hin geht, wird der Ofen auf 220 Grad vorgeheizt. „Wir backen 40 bis 50 Laibe pro Woche“, sagt Werner Lexer, einst erfolgreicher Banker in Kötschach Mauthen, der als Pensionist das Brotbacken mit seiner Maria zum Brotberuf gemacht hat. Bis Klagenfurt liefert die Familie.

Die Liebe zum Sauerteig

Ist der Teig aufgegangen, wird ein Stück davon entnommen, um Sauerteig für die nächsten Brote zu gewinnen, denn „ein guter Sauerteig stirbt nie aus“, sagt der Ex-Banker.  Sauerteigbrot ist eine Herausforderung, es braucht Zuwendung, Fingerspitzengefühl und die richtige Wärme, wirkt sich dann aber auch positiv auf die Darmflora aus.

Schwupps verschwindet das Bast-Körberl mit den runden Teiglingen im Backofen. Bald zieht ein herrlicher Duft durchs Haus, der auch nach Tausenden Broten jedes Mal Freude und Genugtuung bereitet. Nach knapp einer Stunde kann man die Laibe braun, knusprig und duftend aus dem Ofen holen. „Wenn man hinten drauf klopft und das Brot hohl klingt, ist es fertig“, so Lexer. Ehefrau Maria braucht den Test nicht mehr anzuwenden, aus Erfahrung weiß sie sehr genau, wann ihre Brote fertig sind. Es wäre kein original Lesachtaler Brot, wenn nicht vor dem Anschnitt mit dem Messer ein Kreuz darauf gezeichnet würde, um die Ehrfurcht vor dem wertvollen Lebensmittel zu bekunden.

Für die Bewohner des Lesachtales, das auch „Tal der tausend Mühlen“ genannt wird, ist Brot mehr als ein Nahrungsmittel. Lesachtaler Brot ist Ausdruck von Tradition und Dankbarkeit eines Bauern-Völkchens, das abgeschieden in einem Hochtal lebt, das nur über eine kurvige Straße erreichbar ist und im Winter tagelang von der Außenwelt abgeschnitten sein kann, weil sich der Schnee meterhoch türmt. Hier konnten Tradition und Brauchtum unbehelligt weiter leben.

Diese Abgeschiedenheit konnte die japanische Ethnologin Eiko Funada (82), die an der Universität Tokio unterrichtet, nicht davon abhalten, auf Forschungsreise in Sachen Brot zu gehen. Sie klapperte die Bauern auf ihren entlegenen Bergbauernhöfen ab und blickte hinter die Geheimnisse des Lesachtaler Schwarzbrot-Backens. Nach Brot-Studien auf der ganzen Welt ist sie auch heute noch der Überzeugung, dass das Lesachtaler Schwarzbrot etwas ganz Besonderes ist. Sie verarbeitete ihre Forschungsergebnisse in dem Buch „Brot – Teil des Lebens“. Damit nicht genug, wollte sie auch in Tokio nicht auf Lesachtaler Brot verzichten. Im Jahr 2008 sollte eine original Lesachtaler Brotbackstube, wie sie von den Bauern in Stabenthein betrieben wird, nach Tokio transferiert werden. Die Osttiroler Ofenbauer Sepp und Peter Steinringer bauten den Ofen höchstselbst in Tokio auf und können sich bis heute über Folgeaufträge aus Japan freuen. Auch das  Getreide wird nach Japan exportiert.

Regionalität und Wertschätzung

Warum gerade das Brot einer abgelegenen Bergregion so wertvoll ist? „Wir vermahlen nur Getreide, das bei uns im Tal wächst“, begründet Lexer. Getreide, das ab einer Höhe von 1000 Metern trotz Wetterunbillen gedeiht, enthalte ein Vielfaches an Antioxydantien. Das gelte übrigens auch für Preiselbeeren, Butter und Käse, die aus Bergbauernmilch gewonnen wird. Gemahlen wird das Korn (Roggen, Weizen, Amaranth, Waldstaude) zu feinem Mehl in Steinmühlen. Damit wird gewährleistet, das sich das Getreide beim Mahlen nicht erhitzt und seine Energie abgibt. „Das ist die Grundvoraussetzung für Slow Food“, so Lexer. Als erstes Kärntner Lebensmittel wurde das Brot im September 2018 auf der „Terra Madre Salone del gusto“ in Turin von Slowfood International  mit dem „Presidio Siegel“ ausgezeichnet. Es gilt damit als besonders schützenswert. Es wurde auch kürzlich für den geografischen Markenschutz vorgeschlagen. Das EU-Verfahren läuft und soll in Kürze abgeschlossen sein. „Wir folgen sehr strengen Richtlinien, die wir einhalten müssen“, so Lexer.

Traditionsreiche Mühle

Schützenswert war auch die 100 Jahre alte Mühle im Strajach Graben, die Lexer vor zwei Jahren übernommen und mit viel Liebe und Mühe hergerichtet hat. Es ist ein Kleinod, das alle Natur-Katastrophen überstand und einst auch im Film „Die Försterbuben“ mit Paul Hörbiger gute Figur machte. Heute ist die Wassersteinmühle wieder unermüdlich in Betrieb und entspricht allen modernen Anforderungen. Die Bauern des Tales können dort ihr Korn zu Mehl verschiedener Feinheitsgrade mahlen. 20 sind es derzeit.

Der Wunsch der Lesachtaler besteht nach einer Ausweitung der Anbauflächen. Lexer hofft, dass sich Bauern von der Silowirtschaft verabschieden und auf Bio-Getreide umrüsten. Er weiß, es ist ein langwieriger und schwieriger Prozess, der sich aber schlussendlich für die Bauern auszahlt. Das Korn der samenfesten Getreidesorten wird im nächsten Jahr wieder als Saatgut verwendet. Ein nachhaltiger Kreislauf, der schon von Altersher so gepflegt wurde.

Der Vertrieb hingegen ist hochmodern. Mittlerweile wird das Brot über das Internet verkauft und bis Klagenfurt geliefert. Andrea Unterguggenberger vom Peintner Hof in Oberliesing hat damit  gute Erfahrungen gemacht. Ihr Brot ist in Slowfood Betrieben in vieler Munde.

Elisabeth Tschernitz-Berger
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