#WieWirLeben: Wie das Leben offline so spielt

Hofgeschichten, 20.02.2019

Ein Leben als Bäuerin? Für Christine Erharter einst kein sonderlich erstrebenswertes Ziel. Heute hingegen könnte sie sich kein schöneres Leben vorstellen, als hier am Siedler Hof im Tiroler Hopfgarten, wo die Freiheit zuhause ist und das hektische Stadtleben weit, weit weg. Unverhofft kommt eben oft.

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Siedlerhof in Tirol  | © Urlaub am Bauernhof / Daniel Gollner
Man könnte fast sagen, die Liebe hat Christine heimgeholt, zu ihren Wurzeln, ihren wahren Sehnsüchten. Lange Zeit war sie im Tourismus tätig, reiste als Au-pair durch Frankreich, blieb für längere Zeit in Marseille und schnupperte ausgiebig Abenteuerluft. Hätte man sie damals gefragt, wo sie sich in zehn Jahren sieht, wohl kaum hätte sie dies mit der Landwirtschaft beantwortet. Aber unverhofft kommt eben oft und wenn die Liebe erst an die Tür klopft, wird das Leben ohnehin meist völlig auf den Kopf gestellt.

In Christines Fall heißt der Schuldige Klaus. Man traf sich, lernte sich näher kennen und lieben. 1995 übernahm der angehende Landwirt den elterlichen Betrieb und Christine packte schnurstracks ihre Koffer und zog auf den Siedler Hof. Ihr Antrieb lag auch in ihren Auslandserfahrungen begründet: „Diese ganze Hektik in den Städten, niemand sieht dem anderen mehr ins Gesicht, zieht grimmig seines Weges, dazu die verschmutzen U-Bahnen und die stete Sorge um die eigene Handtasche, so ein Leben wollte ich mir nicht vorstellen.“ Musste sie auch nicht, denn hier oben auf 1.060 Meter Seehöhe sind die Nachbarshöfe zwar in Sicht-, aber nicht in Rufweite. Abseits von Hektik und Trubel herrscht eine Ruhe, die nur die Natur selbst zu geben vermag. Ein Grund, warum die zwei Ferienwohnungen ganzjährig gut gebucht sind und viele Stammgäste seit Jahrzehnten regelmäßig den Weg hierher finden.

Gästeschicht im Wandel

Waren die Reisenden früher mehr die Getriebenen, weil jede Attraktion, die mehr oder weniger am Wegesrand lag, besichtigt werden musste, so suchen die Menschen heute vielmehr die Entspannung, bemerkt Christine: „Damals waren die Gäste oft den ganzen Tag unterwegs, fuhren nach Kitzbühel, Krimml, Innsbruck oder München. Heute besichtigen sie natürlich auch das eine oder andere, aber nicht mehr in dieser Intensität.“ Der Alltagsstress mag daran schuld sein, vermutet die Bäuerin. Ständig online, stets erreichbar, ein Selfie hier, ein Tweet dort, der steigende Medienkonsum fordert seinen Tribut.

Von solch gestressten Seelen, die hier aus dem Auto aussteigen und einfach einmal tief durchatmen, damit diese Last abfällt, kann Christine Geschichten erzählen: „Letztes Jahr hatten wir Gäste aus Hamburg bei uns am Hof. Die Frau meinte zu mir: Ihr habt es hier so schön, am liebsten würde ich nach Österreich ziehen. Gesagt getan. Gemeinsam mit der Familie kehrte sie der Hansestadt den Rücken und lebt nun in Leogang.“ Die Menschen suchen wieder vermehrt die Natur, das Ursprüngliche, man könnte fast sagen: Sie brauchen es als Ausgleich zu dem täglichen, digitalen Überkonsum.

Der Kreislauf des Lebens

Am Siedler Hof fragen die Gäste selten nach dem W-Lan Code und das Tablet, mit dem man sich während der Autofahrt noch die Zeit vertrieb, bleibt gerne mal auf der Rückbank liegen. Das Hofleben geht hier „on air“, sobald man angekommen ist. Da werden gemeinsam die Kühe gefüttert und die Pferde auf die Koppel gebracht, da wird den Kaninchen grinsend eine Karotte vor die Nase gehalten und im Sommer tatkräftig bei der Heuernte geholfen. „Die Gästekinder begleiten mich oft den ganzen Tag. Manche sind verschlossener, andere wiederum erzählen mir ungefragterweise ihre komplette Familiengeschichte“, muss Christine lächeln. Was allen gemein ist, ist das Interesse am Hofleben. Wie der Kreislauf des Lebens funktioniert, warum eine Kuh plötzlich Milch geben kann und wieso das süße Stierkalb leider nicht für immer am Hof bleiben darf.

„Wir versuchen den Gästen unsere Arbeit am Land und mit den Tieren näher zu bringen, um bäuerliches Bewusstsein zu schaffen.“ Damit der Gast, wenn er den Siedler Hof wieder verlässt, auch zuhause beim Einkaufen das nächste Mal vielleicht etwas genauer auf die Etiketten achtet und für das eigene Gewissen prüft, woher die Lebensmittel stammen und wie sie erzeugt werden. Und mit einem triumphierenden Lächeln letztlich versteht, worauf es wirklich ankommt.

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