Die Grundmauern dieses historischen Hauses stammen sogar aus dem 15. Jahrhundert. Ein Hofkammerprotokoll vom 8. Juni 1672 belegt, dass Christoph Gräfler die Brandwein-Ausschank-Gerechtsame, damals die Gastgewerbekonzession, verliehen wurde. Einige Jahre später erwarb Joseph Grebitschitscher, ein Vorfahre der heutigen Besitzerfamilie Mayr-Hassler, das Anwesen mitsamt Schankrecht und vergrößerte das Gebäude auf seinen heutigen Umfang.
In früheren Zeiten war der Tschitscher nicht nur ein Gasthaus, sondern betrieb auch eine eigene Wirtshausbrauerei und fungierte als Postgasthof mit Pferdewechselstation. Besonders bedeutsam ist die Verbindung zu Andreas Hofer: 1809 wurde hier ein Plan geschmiedet, mit dem der Tiroler Volksheld von den Italienern freigekauft werden sollte – mit 3.000 Gulden. Doch das Geld kam zu spät, vermutlich durch Verrat oder andere widrige Umstände, sodass Hofer nicht mehr gerettet werden konnte.
Mit der Eröffnung der Pustertalbahn im Jahr 1871 begann auch in Nikolsdorf der Tourismus. Der damalige Wirt, Gottfried Mayr-Hassler, der zugleich Bürgermeister und Landtagsabgeordneter war, nannte seinen Betrieb „Gasthof zum goldenen Stern“ und richtete Gästezimmer für die neuen Sommerfrischler ein. Er baute eine Veranda und war stolz darauf, dass sein Haus mit elektrischem Licht und sogar einem Radio ausgestattet war – damals eine Seltenheit. Zusammen mit einem weiteren Wirt aus dem Ort errichtete er ein Schwimmbad und legte den Wanderweg Hochstadl Leitersteig an, der bis heute ein beliebtes Ausflugsziel ist.
Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs blieb Nikolsdorf ein kleiner touristischer Vorreiter im Großraum Lienz. Nach einem kurzen Aufleben in den späten 1920er und frühen 1930er Jahren kam der Zweite Weltkrieg dazwischen und unterbrach die Entwicklung. Erst in den 1950er Jahren begann der Fremdenverkehr – wie man den Tourismus damals nannte – wieder richtig zu florieren. In den 1970er Jahren erlebte Nikolsdorf seinen touristischen Höhepunkt. 1966 wurde das Waldschwimmbad Nikolsdorf eröffnet, ein weiteres Gemeinschaftsprojekt, bei dem der Wirt des Tschitscher, Rainer Mayr-Hassler, als Obmann des Fremdenverkehrsverbandes maßgeblich mitwirkte.
Seit 2012 führen Dieter Mayr-Hassler und seine Frau Heidi den Tschitscher in einer ganz neuen Form weiter – als kleines, außergewöhnliches Spiele- und Buchhotel. Bei der Renovierung des ehemaligen Dorfgasthofs flogen nicht nur die alten Waschtische raus, sondern auch die Fernseher. Heute präsentiert sich das Haus als eine fernsehfreie Oase, die ganz dem Spielen, Lesen und Hören gewidmet ist.
Die sieben Zimmer tragen keine Nummern, sondern Namen wie „Mühle“ oder „Backgammon“ – eine Einladung, selbst Teil der Geschichten zu werden. Im historischen „G’wölb“, der alten Stube mit Gewölbedecke, finden Gäste ein liebevoll eingerichtetes Spielezimmer mit über 500 Brett- und Kartenspielen. Statt Fernseher gibt es in den Zimmern CD-Player mit Zugang zu über 500 Musik-CDs und mehr als 600 Hörbüchern. Wer es klassisch mag, stöbert in der Bibliothek mit fast 1000 stets aktualisierten Büchern.
Für dieses innovative Konzept wurde die Familie Mayr-Hassler bereits mehrfach ausgezeichnet: 2008 mit dem Tirol Touristica Anerkennungspreis und 2017 mit dem Innovatio-Award der Hogast-Gruppe.
Das historische Gebäude selbst ist nahezu original erhalten – besonders das Parterre mit seinem charakteristischen Gewölbe zeugt von jahrhundertealter Handwerkskunst. Im Spielezimmer wurden antike Bauernmöbel aus dem Haus zusammengetragen und neu arrangiert. Ein besonderes Highlight ist der 500 Jahre alte Hackstock aus Lärchenholz, der als Tisch dient – ein Stück lebendige Geschichte, das einst 200 Jahre im Wald wuchs und seit 300 Jahren im Haus in Gebrauch ist. Die Bilder an den Wänden im „G’wölb“ sind bis zu 300 Jahre alt und erzählen ihre eigene Geschichte.
Als Mitglied der Landhof-Familie bei „Urlaub am Bauernhof“ vereint das Spiele- und Buchhotel Tschitscher die jahrhundertealte Tradition ländlicher Gastfreundschaft mit modernen, besonderen Urlaubserlebnissen. Wer hier einkehrt, taucht ein in eine Welt, in der Geschichte lebendig bleibt – und das auf eine ganz spielerische Art.
Dieter Mayr-Hassler
Spiele- und Buchhotel Tschitscher, 3 Artikel