#WieWirLeben: Drums & Horses. Slowtravel-Renaissance am Wörthersee.

Hofgeschichten, 23.07.2018, Stefan Heinisch

Silvester Gabalier musste Bauer werden. Das war vom Elternhaus so vorbestimmt. Er wurde es auch, weil er es auch wollte. Besuch bei einem facettenreichen Landwirt, der mit seiner Frau Martina ein verdammt gut gepflegtes Stück Kulturlandschaft am Südbalkon des Wörthersees sein Eigen nennt. Da oben am Poscharnighof, vielleicht zu unbeachtet, zwei Etagen über dem im Sommer pulsierenden Nightlife a la Fete Blanche oder dem hedonistischen „Beach-Volleyball-Showdown“ zu Klagenfurt. Aber dort oben an der Schieflinger Strasse Nummer 3 trifft man normale Menschen, mit denen man normal reden kann. Kein „wie hätten Sie es denn gerne“ sondern mehr „wie geht’s dir, brauchst irgendwas?“.

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Frau führt Pferde am Weg | © Urlaub am Bauernhof Kärnten / Daniel Gollner

Es wäre ja auch nicht der Wörthersee, würde nicht auch der idyllische Poscharnighof in Schiefling als Filmlocation herhalten müssen. Gleich zwei Mal je 3 Tage. Mit ziemlich viel Aufwand und Schienen in das sonst so ruhige Wohnzimmer der Gabaliers. Geschehen gleich zwei Mal für Dreharbeiten zur Serie „Der Arzt vom Wörthersee“. Das sorgt für Quote im ZDF und sonst wo. Garantiert. Selbst der große Erwin Steinhauer zog seinen Hut vor der stilsicheren Ästhetik des bäuerlichen Anwesens, das Silvesters Ur-Ur-Großvater zu Beginn des 20. Jahrhunderts erwarb. Der Klagenfurter Kaufmann investierte in den Hof und erwarb mit dem übrigen Kapital noch eine Glocke für die Kirche. Den Rest legte er auf die Bank. Dann kam aber der 1. Weltkrieg. Das Ersparte war weg und der sakrale Klangkörper wurde für Kriegszwecke eingeschmolzen. So in etwa, erzählt Silvester die Hofchronik. Ein wirklich gelassener „Word-Rap“ der familiären Tatsachen ohne das Schöne, das hier zweifellos herrscht, zu stark zu betonen. Das zieht an. Die Filmwirtschaft und den internationalen Jet-Set. Es sind dies die gut betuchten Traveller, die weniger das Schlosshotel in Velden suchen, als sich vielmehr durch Ruhe, Klarheit und Schnörkellosigkeit neu verorten möchten. Lokal. Ultralokal sogar. So kommt es, dass neben deutschen Promi-Managern auch Australier, Russen und Araber den Weg in eine der drei Ferienwohnungen finden. Das nenne ich ganz zeitgeistig einfach mal Slowtravel. Also der Zustand, wenn Menschen, die sich 5*superior zwar leisten können, aber sich selbst freiwillig aus dem Spiel der infrastrukturpotenten, anonymen Super-Hotels nehmen. Ich kann es nachempfinden. Erdung tut gut. Ab und an. Vor allem, wenn der Alltag zunehmend an Speed gewinnt.

„Urlaub am Jazzhof?“

Ja, das klingt alles sehr nach Bilderbuch. Ist es auch. Die Landwirtschaft am Poscharnighof definiert sich heute über Holzwirtschaft, eine eigene Sägerei und die Leidenschaft zu den Pferden. Letzteres teilen Martina und Silvester innig. Der Bauer, der schon als Kind auf jedem Baum war und stets die Nähe zu den Tieren suchte, ist an sich ein sehr leidenschaftsfähiger, offener Mensch. Nachdem er während der Schulzeit Schlagzeug lernte und stets Begeisterung für das Musik-Machen zeigte, geriet das Talent hinter einen Schleier der vorübergehenden Vergessenheit. Nachdem ihm seine Martin nach der Rückkehr aus Salzburg ein Schlagzeug schenkte, ging es wieder los. Bauernjazz 2.0. Eine Gruppe formierte sich, nach zwei Monaten der erste Gig – unter anderem mit Jazz-Größen wie Wolfgang Puschnig (Saxophonist) und Jon Sass (Tuba). Das Live-Konzert am eigenen Hof als krönender Gipfel. So etwas könnte sich schon bald wiederholen. Die Gabaliers überlegen das Frühjahr und den Hof in Form eines wiederkehrenden Events jazzig zu bespielen.

Bauerndilemma: Wenn die beste Zeit zum Heu machen ist, herrschen auch super Flugbedingungen.

Aber doch will er immer wieder weg, der Bauer. Als ihm ein Gast einen Modell-Segelflieger schenkte – damals war er noch ein Kind - ebnete das prägende Erlebnis auch die spätere Hobbyflieger-Karriere des Kärntners. Silvester hat einen Fliegerschein und darf sogar oberhalb seines Hofs landen, erklärt er mir. Eine Wiese, oder eher ein Stück gemähte Grünfläche, die sich in meiner Wahrnehmung auf den ersten Blick gar nicht als Landebahn konfiguriert. Aber er wird es schon wissen. Ich bin mir sicher, hab ich doch selten jemand so enthusiastisch von etwas erzählen gehört. Das Zusammenspiel aus Sonne, Urkraft, Wind muss es ihm angetan haben. Irgendwie. Als ob es da unten am Hof nicht schon schön genug wäre. Martina hingegen hat gerne Boden unter den Füßen und arbeitet noch lieber mit Pferden und (Gäste-)Kindern. F.E.B.S. nennt man die feine Kunst, wenn sie den liebevollen Umgang mit Pferden vermittelt. Es handelt sich dabei um eine Art Frühschule des Reitens. Kein therapeutischer Zugang. Viel mehr geht es um Freude, Erlebnis, Bewegung und Spiel.

„Unsere Gäste haben die Kärnten Card, nutzen sie aber nicht. Die wollen vom Hof gar nicht weg“

Das Mehr ist hier ein Stück Weniger. Das denk ich mir, wenn ich mit Menschen, wie den Gabaliers sprechen darf. Natürlich sind die Einkünfte aus der Vermietung von Ferienunterkünften essentiell für den Ertrag der Landwirte. Pferde, Holzwirtschaft und Beherbergung, das ist der Dreiklang für den Wohlstand der Familie mit dem berühmten Namen. Und nirgendwo als bei den Gabaliers, ist es schöner zu begreifen, dass sich das Reisen an sich im Umbruch befindet. Dabei geht es nicht um die Romantisierung des Tourismus. Auch nicht um eine Gegenthese zu den superioren Hotelangeboten, die ihresgleichen suchen. Das hat alles seine Berechtigung am Markt. Aber doch gibt es immer mehr Menschen, die im Urlaub, das Reisen in den Vordergrund stellen. Klarheit und Reduktion auf das Wesentliche. Fremdenverkehr re.loaded oder Zwei-Punkt-Null, wie man will. Genug der Philosophie. Es geht um eine Gratwanderung der Reduktion auf das Wenige. Und das findet man hier am Poscharnighof. Aber noch viel mehr. Ob es ein „berühmter“ Wolfgang Fierek ist, der den Kachelofen eifrig befeuert oder die Natursehnsuchts-Familie, die ganz normal bucht und ihren Kindern das gute, einfache Leben zeigen will. All das ist hier sehr gut aufgehoben. Ein kleines Stück oberhalb eines touristischen Erlebnisraumes, den man so vielleicht gar nicht kennt, der aber auch anders kann. Ruhiger. Besonnener. Kein Getrampel. Eine Wörthersee-Huldigung.

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Stefan Heinisch
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