Tausche Büro gegen Natur. Neustart eines Tourismusmanagers

Hofgeschichten, 12.07.2018, Stefan Heinisch

Er ist Obmann des Kärntner Landesverbandes der Bienenzüchter und somit „Außenminister“ für über 3.000 Mitglieder seiner Zunft. Gleichzeitig auch einer von nur 15 Kärntner Wanderlehrern (so nennt man das Lehrpersonal, das Imker aus- und weiterbilden darf). Kronhofer verwendet dabei so imposante Wortkombinationen, wie „Die hohe Kunst der perfekten Völkerführung“ und erklärt mir glaubhaft, dass der Honig dem Homo sapiens so gut tut, weil wir doch „Sonnenwesen“ sind. Der Betriebswirt aus Hermagor war übrigens bis ins späte Frühjahr 2015 Geschäftsführer des Tourismusverbandes Weissensee. Dann wollte er nicht mehr. Besuch bei einem, der heimgekommen ist, um dort zu bleiben.

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Bienenwabe mit Bienen | © Urlaub am Bauernhof Kärnten / Daniel Gollner

Arno Kronhofer ist ein Besessener. Und der Mann hat einen Plan, das steht fest.

Ich könnte jetzt gleich mit Monsanto, Bayer & Co. loslegen, den bösen Chemiekonzernen, die ihre Produkte zum Wohl von Mensch und Natur wie ein Schutzschild über die europäische Landwirtschaft legen – genau! Mehr Gesprächs-Dynamit ist aber gar nicht notwendig, denn die Pharmaindustrie hat mit der Imkerei noch kein Geld verdient und wird es auch nicht, versichert mir ein energischer Kronhofer, während wir selbstgemachten Reindling und Kaffee auf seiner Hausbank zu uns nehmen. Dann setzt er nach: „Die Bienenwirtschaft ist der einzige Zweig der Landwirtschaft, in dem es kein zugelassenes Medikament gibt“. Natur-Pur! Das Argument sitzt und macht Mut.

„Do steh i, i bin a Bauer. Und wennst willst, kannst Urlaub bei mir machen“

Es begann im Alter von 2 Jahren, als der junge Arno seine Liebe zu den Hautflüglern entdeckte und gedeihen ließ. Untypisch für einen Imker, wie er meint, waren es anfangs doch die Hummeln, die es ihm angetan hatten und sein Herz zum Rasen brachten. Als 3-jähriger grub er dann ein solches Nest aus und brachte es dem Opa. Die Kronhofers hatten fortan bis zu 20 Hummelnester rund ums Haus stehen, ein erster Beweis, dass hier jemand drauf und dran ist, seine Be-rufung zu finden. Mit 7 schenkt ihm der Nachbar (endlich) einen eigenen Bienenschwarm und setzt so den Beginn einer Love-Story. Wenn Arno an seine Kindheit am Hof denkt, steigt ihm sofort der Duft eines frisch geöffneten, in Tracht stehenden Bienenstocks (also ein Volk, das von der Natur mit Nektar reich beschenkt wurde) in die Nase. „Und dann herzhaft in a Wabn’ einibeiss’n“, lacht er. Scheinbar ein höchst lukullisches Ereignis, das ich selbst leider nicht näher beurteilen kann. Denke ich hingegen an meine Kindheit und die Bienen der 1980er-Jahre zurück, sehe ich den Nachbar meiner Oma, einen grimmigen alten Mann, der sich jedes Mal wie Neil Armstrong in einen weissen Schutzanzug schmiss, bevor er seine Bienenvölker fliegen ließ. Ein bizarrer und (scheinbar) gefährlicher Moment, bei dem wir Nachbarskinder immer das Weite suchten. Bei Arno Kronhofer ist das natürlich nicht so, er betreibt eine Schauimkerei und teilt seine Gäste schon mal zur freiwilligen und gar nicht gefährlichen Hilfsarbeit am Bienenareal ein. Immerhin handelt es sich bei den 80.000 Insekten um die sanftmütige Carnica-Biene, um die in ganz Europa sowieso ein G’riss herrscht, weil sie so lieb ist. Kronhofer weiss als jahrelanger Destinationsmanager natürlich bestens, dass Spezialisierung in einem eher gesättigten Markt nicht schadet und so sieht er auch sein Angebot als „Urlaub beim Imker“ gut zum bäuerlichen Mitbewerb differenziert. Eine ursprüngliche Landwirtschaft, Sehnsuchtspotential vieler Städter und Klischeebild aus der Werbung, findet man hier nicht. Ein eher modern gehaltener, schnörkelloser Zubau mit großräumigen Appartements lockt auch im Winter viele (internationale) Gäste, die das nah gelegene Nassfeld, Kärntens größtes Skigebiet, schätzen. Und nicht nur das, ein Blick auf Booking.com offenbart eine beachtenswerte 9,7 (Durchschnitt aller Booking-com-Gästebewertungen auf einer Skala, die bei 10 schon endet). Chapeau!

„3x Glück: Meine Familie. Die Bienen. Und die Vermieterei“

Arno Kronhofer galt in seiner Zeit als Tourismusmanager als „Hektiker“, wohl eine Umschreibung für seine umtriebige, fleissige Art, die Dinge eher heute, als morgen zu besorgen. Bei den Bienen ist er aber ein anderer Mensch, die fleissigen Fluginsekten sein Ruhepol. Neben der Familie wohlgemerkt, die ihm täglich Kraft und Energie gibt. In der Selbstständigkeit, für die er einen sehr guten Job als leitender Angestellter freiwillig an den Nagel hängte, kann er seiner Leidenschaft endlich mehr Zeit widmen. Aber auch der zweijährigen Tochter und den Gästen des Hauses. Ganz so im Stile seiner Mutter, die eine gute Gastgeberin war, sich stets rührig um die Fremden kümmerte und auch abends dabeisitzend für Gesellschaft sorgte, legt er die Rolle des Beherbergers nicht an. Denn ohne ein anonymer Vermieter sein zu wollen, ist ihm eine klare Trennlinie zum Privatleben wichtig. Aber ich sag’s nochmal: 9,7. Die Luft da oben ist ordentlich dünn. Er scheint ein Konzept zu haben.

„Bienen am Balkon. Zukunftsszenario Stadt-Imkerei“

Mit dem Dreierlei aus Imkerei (Honigproduktion und Ausbildung), der Waldwirtschaft und der Vermietung von Ferienappartements scheint die Zukunft der Kronhofers auf gutem Fundament zu stehen. Und die Sehnsucht nach Natur, ehrlichen Produkten ohne Zusatz- oder Konservierungsstoffen wird auch an der Imkerei nicht spurlos vorüber ziehen. So merkt er schon einen Anstieg urban verorteter Menschen, die das Imkerhandwerk erlernen möchten. Ja, unsere Städte werden grün, Urban Gardening macht es ja bereits vor. „Hier am Land hingegen muss es auch Optionen für die jungen Menschen geben, denn ansonsten sitzen bei uns die Alten bald in verfallenen Häusern, wenn die Jungen alle in die Städte drängen“, zeigt er sich nachdenklich. Wahrscheinlich ist sein Statement, das das Problem der Abwanderung im Kern trifft, auch als Motivation gedacht. Ein Appell, dass es ihm seine jungen ländlichen MitbürgerInnen doch gleich tun mögen, als Gemüsebauern oder milchveredelnde Käseproduzenten. Er ist überzeugt davon, dass es Zukunft am Land und als Landwirt gibt. In einer Nische, die jeder für sich selbst finden muss.

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Stefan Heinisch
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